Portrait in Textilwirtschaft 29

Die Schal-Schule

Vom Großhändler zum Fashion-Dienstleister für viele Große: accessu beschafft Accessoires aller Art direkt vom Produzenten. Binnen sechs Wochen, bald noch schneller.Portrait von Mathias Berner
„Das Leben ist ein Platz zum Lernen“, sagt accessu-Macher Mathias Berner, der mit dem Verkauf von Hüten auf Märkten begann.

Unerwartet, aber wahr: Am Rande von Göttingen wimmelt es geradezu vor Trends. Auf kleinster Fläche: Gerademal 60 auf 60 oder 40 auf 120 Zentimeter braucht es, um die momentan trendigen Frucht-Prints, die angesagten Tupfen und Graphics abzubilden. Im Schal oder Tuch lässt sich ein heißer Trend ja auch schneller umsetzen als in einem Kleid beispielsweise. „Wir wissen alles über die neuesten Trends“, sagt Firmenchef Mathias Berner voller Stolz, obwohl er sonst eher bescheiden auftritt. „Sobald die Schauen gelaufen sind, gehen wir sofort ins Netz und schauen sie uns an. Außerdem lesen wir unzählige Blogs und recherchieren dort, welche Themen und Trends sich herauskristallisieren.“

Gibt es den entsprechenden Warentypen dann vielleicht noch gar nicht auf den Beschaffungsmärkten, schaut Berner, ob er im Archiv einen solchen Print hat. Wöchentliche Rundmails informieren die Kunden über aktuelle Angebote des Accessoires-Spezialisten. Lieferung binnen drei Wochen. Alle Großen im Handel gehören zu den Kunden: Neben Karstadt, einem der ersten accessu-Partner, sind es heute unter anderem C&A, Kaufhof, Wissmach sowie große vertikale Konzepte und Modemarken.

Mit Hüten fing es an. Den niedersächsischen Landwirtssohn Berner zog es nach dem Abitur weniger in den elterlichen Stall als in die weite Welt. Um sich die Reisen vor dem Studium zu finanzieren, hat er begonnen, Kappen und Mützen auf Märkten zu verkaufen. Da hat Berner Talent und Freude an dem Business entdeckt und bald begonnen, die Ware nicht mehr bei Großhändlern zu beziehen, sondern sie selbst in Asien zu organisieren.

Hüte, speziell Filzhüte, lagen damals im Trend. Der Firmensitz war noch in Starnberg. Der Durchbruch kam mit den Bakerboy-Mützen in Cord und Tweed „Jeder wollte sie haben“, berichtet Berner. Aus familiären Gründen ging er 2004 zurück in die alte Heimat. Zu den Hüten kamen Schals und Tücher hinzu, so dass sich erst der Firmenname änderte, später auch das Geschäftsmodell, denn bis 2009 arbeitete das Unternehmen als Großhandel zum Absortieren. Heute liefert die accessu GmbH fast vier Millionen Teile im Jahr. Ausschließlich auftragsbezogen an Großkunden. Zu 80% sind es textile Accessoires wie Schals und Tücher, Häkelmützen, Bandeaus, Handschuhe – von iPad-Handschuhen verspricht sich Berner zum Winter einiges.

Die EK-Preise bei accessu variieren je nach Auftragsmenge. Ein modisches Polyester-Tuch mit Baumwollgriff kostet im EK um 1,80 Euro und eines aus Organic Cotton liegt (bei Abnahme von 10000 Teilen) um 2,50 Euro im EK. Heute ist jedes Stück, das nach Göttingen kommt, „verkauft, zumindest auf dem Papier“, so Berner. Die Großkunden können ihre Ware abrufen in dem Moment, in dem sie sie brauchen: Kommissionierung nach Bedarf.

Mit einer neuen Software, zugeschnitten auf die Anforderungen dieser Kunden, kann das Team jederzeit online die Orderabwicklung oder den Weg von Mustern exakt verfolgen. Wesentlich für die Nähe zu den Produzenten sind zwei Büros mit je drei Mitarbeitern vor Ort in China und Indien: Dieser Tage hat Berner in Mumbai ein neues Büro mit Showroom von fast 400m² eröffnet.

Mittlerweile organisiert accessu für etliche namhafte Marken die textilen Accessoires und erarbeitet komplette Konzepte einschließlich Kollektions-Rahmenplan und Flächenbewirtschaftung: „Unsere Abverkaufsquote liegt zwischen 85 und 92%, der Rest ist geklaut“, sagt Brenner zufrieden.

Entsprechend optimistisch schaut das Team in die Zukunft. Schließlich haben die zwölf Mitarbeiter rund um Berner noch einiges vor: „Wir sehen bei Organic Cotton große Wachstumschancen.“ Schon heute setze er allein für C&A große Mengen in Organic Cotton um. Dann steht das internationale Wachstum auf der Agenda. Schließlich liegt es nahe, den Namen accessu irgendwann einmal als Markennamen zu gebrauchen – und sich damit im Fachhandel zu etablieren. Wer weiß, was aus Göttingen noch unerwartetes kommt.

Textilwirtschaft 29 | von Gudrun Allstädt | Link zum Originalbeitrag (login erforderlich)